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Langlebigkeit sei nachhaltig. Das ist eine Überzeugung, die von vielen Unternehmensleiter/-innen vertreten wird. Dafür gibt es sicher ein wirtschaftliches Argument. Langlebiges Design (Bauhaus als Beispiel) überzeugt die Kunden und den Markt, weil es die Bedürfnisse optimal befriedigt und sich hervorragend in verschiedene Nutzungsszenarien einfügt. Das ist gut, und jedes Unternehmen wünscht sich wohl, Produkte vertreiben zu können, die in diesem Sinn langlebig sind.
Die Meinung, dass Langlebigkeit ökologischer sei, die hingegen ist falsch. Nachhaltigkeits-Vordenker wie Michael Braungart (Cradle to cradle) oder Janine Benyus (Biomimikry) nehmen in ihren Schriften, Studien und Vorträgen die Natur als Vorbild, um Nachhaltigkeit zu definieren. Was sie in der Natur sehen, ist Überfluss, konstantes Werden und Vergehen, Anpassung oder Verderben.
Was heisst das zum Beispiel für industrielle Objekte wie Geräte, Werkzeuge, Maschinen, Fahrzeuge, etc.? Ihre Langlebigkeit ist irrelevant. Viel wichtiger ist, dass die Ressourcen, die sie in der Produktion und Nutzung brauchen, nicht zu einem Abbau führen, sondern in Einklang mit den natürlichen Zyklen stehen. Überspitzt gesagt: Effizienz ist völlig unnötig, solange Effektivität eingehalten wird. Niemand muss Energie sparen, wenn erneuerbare, nachhaltige Energie genutzt wird. Eine Waschmaschine kann nach einer Laufzeit von 2 Jahren problemlos ersetzt werden, solang alle Materialien einfach wieder verwendet werden können.
“Falsche” Langlebigkeit kann auch gesundheitsgefährdend sein. Berühmtes Beispiel ist das nette Gummi-Entchen im Badezimmer, das über Jahre toxische Stoffe ausdünstet. Oder Teppiche, die selber oder in Kombination mit dem Leim auch während Jahren die Raumatmosphäre geradezu vergiften. Natürlich gibt es auch hier Fortschritte, aber am zukunftsfähigsten ist am Schluss doch eine Chemie, die weder Natur noch Menschen belastet - und die am “end of life” ohne Probleme zum Beispiel als Nährstoff in die Natur entlassen werden kann.
Und dann gibt es die wirtschaftliche Tücke mit der Langlebigkeit: Angenommen sie bauen die perfekte Waschmaschine, die 30 Jahre hält und reibungslos funktioniert. Was geschieht, wenn im nächsten Jahr die Waschmaschine auf den Markt kommt, die keinen Strom mehr braucht? Genau, Ihr Produkt befindet sich in der Sackgasse, sie werden technologisch überholt.
Basierend auf diesen Einsichten empfehlen wir die Kreation von agilen Produktplattformen, die effektiv nachhaltig sind und damit auch künftigen technologischen Fortschritt ermöglichen und integrieren können. Lieber ein effektives Produkt als ein effizientes langlebiges! Am Schluss sind ihre Kunden auch nicht an den Produkten interessiert, sondern an den Services, die die Produkte erbringen. Lesen Sie dazu dieses Interview mit Michael Braungart: “Langlebigkeit ist ein Alptraum”.
Beispiel für effektive Nachhaltigkeit: das kompostierbare T-Shirt. Die Natur erhält die Materialien vollständig zurück. Der Kunde zahlt einfach für den Service, den das T-Shirt erbracht hat. Dabei ist es egal, wie lange das T-Shirt getragen wurde. Langlebigkeit ist kein Thema. (Bild: Trigema)