back to blog

New York erholt sich und setzt auf Qualität

Read Time 5 mins | Written by: René Walpen

Einsichten und Aussichten basierend auf Beobachtungen und Begegnungen vor Ort

“We are facing a turning point for New York City”: dies war die Schlagzeile in der “New York Times” im Juni 2021. Wir waren Anfang November dort: wie ist New York anders? Welche Risiken und Gefahren bestehen für Schweizer Unternehmen?


Ich habe von 2016 - 2018 in der Stadt, die niemals schläft, gelebt. Jetzt, 3 Jahre  und eine Pandemie später, war ich sehr gespannt wie sich New York gewickelt hat. 10 Tage war ich für den Schweizer Möbelhersteller horgenglarus in New York und habe 20 Meetings mit Architekten, Designern, Unternehmern, Areal-Entwicklern und mit Instituten wie dem Schweizer Konsulat und dem Swiss Institute durchgeführt. 

In der Stadt gilt in Bezug auf die Pandemie 3G, aber grundsätzlich geht man davon aus, dass die Menschen eigene Verantwortung übernehmen, und wo es nötig ist sich auch schützen. Bei der Einreise wurde das Covid-Zertifikat mit beiden Impfungen und einem gültigen Test nicht älter als 72 Stunden kontrolliert. In öffentlichen Gebäuden und Restaurants wurde das Zertifikat meistens verlangt, in Läden besteht Maskenpflicht. 

Die Stadt New York ist insgesamt ruhiger geworden. Es hat auf Strassen und in öffentlichen Verkehrsmitteln weniger Menschen. Auffallend ist, dass in den letzten 1 ½ Jahren viel für den öffentlichen Raum investiert wurde. Es gibt viel mehr Fahrradwege und Grünflächen. 

Little Island, neuer public park am Hudson River in NYC, (Angela Weiss AFP/Getty Images)

Little Island, neuer public park am Hudson River in NYC, (Angela Weiss AFP/Getty Images)

Noch fehlt die grosse Anzahl an Touristen. Das Leben ist etwas ruhiger, da die New Yorker besser durchkommen und so weniger Hektik herrscht. Am Samstag waren die Ausgeh-Gebiete wie Soho, Westvillage oder auch Meatpacking voll mit Einheimischen. Viele Lokale habe mehr Kapazitäten geschaffen und man kann sowohl im Innenraum als auch draussen essen. Viele Lokalbesitzer haben das Restaurant auf die Strasse verlegt, mit Heizstrahler und Decken ausgestattet. 

 

Das Café Select, Aussenbereich, vom Schweizer Gastro-König Oliver Stumm in New York / Foto R.Walpen

Das Café Select, Aussenbereich, vom Schweizer Gastro-König Oliver Stumm in New York / Foto R.Walpen

 

Zahlreiche Lokale sind einerseits frei zu vermieten, andererseits gibt es viele neue Lokale und schon vor Corona gut bekannte Restaurants habe zusätzliche Kapazitäten geschaffen. 

Trends in der Gastronomie

  • Vegetarische und vegane Angebote
  • Lokale Angebote, ‘Products from your Neighborhood’
  • Salatbars und Bowls 

Der Schweizer Starkoch Daniel Humm hat sein Restaurant “Eleven Madison Park”, eines der Top-50-Restaurants weltweit, komplett auf vegetarisch umgestellt. Dies hat zwar in der “New York Times” Kritik ausgelöst, aber das Konzept scheint aufzugehen. Nach eigener Aussage ist er zufrieden und will nie mehr auf die Fleischküche umstellen. Die “New York Times” geht im Artikel aber auch davon aus, dass dieser Entscheid Signalwirkung haben wird. 

 

Digitalisierung und Services 

Kontaktloser Leistungsbezug und der einfache Zugang zu Leistungen hat sich seit meinem letzten Besuch nochmals verstärkt. Im Hotel gabs Online-Checkin und -Checkout, ich erhielt eine Mobile-Nummer wo ich mich jederzeit per SMS/WhatsApp melden konnte und mein Anliegen wurde gelöst.

In der U-Bahn konnte ich kontaktlos und ohne Pin mit dem Mobile Phone direkt durch die Schranken. Die Abbuchung erfolgte über Apple Pay. City bike/ Bikesharhing sind  eine Kooperation mit dem Fahrdienstunternehmen Lyft eingeganen- der Konkurrenz von Uber. (https://www.lyft.com/ Ich konnte meine Trips nahtlos vom Auto über Fahrrad bis hin zur U-Bahn planen und über dieselbe Plattform abwickeln. Neu war auch, dass die Verfügbarkeit der Fahrräder an jeder Station angezeigt wurde, obwohl während meines Aufenthalts das Problem eher umgekehrt war: die Stationen hatten keine freien Stellen mehr zum Parken. Insgesamt hat es auch mehr private Fahrräder in der City. Etliche New Yorker nutzen die öffentlichen Verkehrsmittel noch nicht und sind aufs Rad umgestiegen.

Mein Fahrradhändler in Jersey City hat im vergangenen Jahr das beste Geschäftsergebnis erzielt und sogar eine Filiale im neuen Luxuskomplex Hudson Yards eröffnet. Die Anforderungen an die Fahrräder sind in New York etwas unterschiedlicher als bei uns in der Schweiz, aber ich könnte mir gut vorstellen, dass der Markt sehr interessant sein könnte. Ein Abstecher zum Rapha Clubhouse (https://www.rapha.cc/ch/de/clubhouses) brachte mich mit einigen Rennvelo-Aficionados zusammen. Die Begeisterung ist ungebremst, vielen decken sich nun mit wintertauglichen Outfits ein. 


c3210a99c531222eb8cfc490dc175f07--rapha-cycle-club-monday-friday

 

Soziales und Gesellschaft

Die Leute scheinen mehr Sinnhaftigkeit zu suchen und Werte sind wichtiger geworden.  Die Zeit des ganz Schrillen ist etwas vorbei. Qualität, Herkunft und faire Bedingungen spielen jetzt eine Rolle. Das Handwerk gewinnt dabei an Bedeutung. Qualifizierte Leute für alle Bereiche sind gefragt. Die New Yorker fragen sich, ob sie auf der Stadt oder auf dem Land leben wollen - und wie die Zukunft der Arbeit aussieht. Viele sind noch nicht bereit, wieder ins Corporate Office zurückzukehren.

Co-Working Spaces we WeWork oder NeueHouse  bieten neue Dienstleistungen an. In NeueHouse zum Beispiel wurde der Eingangsbereich mit einer Cafeteria ausgestattet wo Clubmitglieder Gäste empfangen können, und wo ab 17 Uhr ein DJ Musik auflegt. Für mich zeigt dies klar einen Trend auf, die Verschmelzung zwischen Beruf und Freizeit nimmt zu. Da bieten sich neue Angebotsbereiche an, egal ob für Möbel, Inneneinrichter oder Dienstleistungsanbieter wie Catering oder eben DJ’s. 

Auch die Mode in den Strassen New Yorks ist ein Abbild dieses Trend. Unter dem Begriff “Athleisure” wird der Home Office Style auf die Strasse verlegt. Yoga Labels wie Lulumelon oder alo boomen. Die Flagshipstores von Nike, Adidas und Co. zeigen neue Konzepte und bieten einen Mix zwischen Sport und Freizeit. On Shoes, das kürzlich an die New York Börse gegangene Unternehmen, hat nun an prominenter Lage einen eigenen Flagshipstore. Vor drei Jahren noch habe ich On-Schuh-Träger angesprochen und gefragt, warum er/sie diese Schuhe trägt. Heute gehören On Shoes zum New Yorker Stadtbild. Eine wirklich beeindruckende Schweizer Story - wer ist wohl der nächste On? 

 

Preisentwicklung 

Zwar sind immer noch relativ günstige Hotelübernachtungen aufgrund von Überkapazitäten möglich, aber ansonsten hat sich das Leben verteuert. Schon die Fahrt mit Uber vom Flughafen in die City hat ca. 20% mehr gekostet. Die Preise für Verpflegung unterwegs, egal ob take-out oder im Restaurant, sind teurer geworden. Auch Produkte des täglichen Bedarfs im Supermarkt sind teurer. Die Mehrkosten infolge der Pandemie werden auf den Konsumenten  abgewälzt.

 

Opportunitäten im New York Markt für Schweiz Unternehmen 

Die Schweiz geniesst immer noch einen sehr guten Ruf in New York. Unsere Werte, die auf Qualität, Authentizität und Verlässlichkeit basieren, sind sehr gefragt. Es wird mehr in Qualität und Langlebigkeit investiert. Auch gibt es in NYC sehr viele Kooperationsmöglichkeiten. Das Schweizer Konsulat ist sehr interessiert daran, Schweizer Unternehmen zu unterstützen und Plattformen zu bieten. Natürlich ist der Markt NYC ein Haifischbecken, und alle sind dort (auch Ihre Konkurrenz) und wollen Business entwickeln. Trotzdem gibt es nach meiner Erfahrungen gute Einstiegsmöglichkeiten. Der Markt ist noch nicht ganz so überhitzt, man findet gute Lokalitäten und die New Yorker suchen neue und qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen. 

 

Ein (wie immer) vorläufiges Fazit

In New York gibt es Raum für neue Konzepte, die Stadt ist hungrig auf neue Erlebnisse und Angebote.
Als Unternehmen gibt es Verlierer und ganz klar Gewinner. Dabei spreche ich nicht von den Tech- oder Pharma-Unternehmen, sondern vom Mittelstand. Die Unternehmen, welche vor der Pandemie ein gutes Geschäftskonzept hatten und Cash-Reserven gebildet haben, waren sehr schnell in der Lage, in die Zukunft zu investieren. Zum Beispiel Oliver Stumm im Select hat sofort das Restaurant sanft renoviert, in Aussenbereiche, Heizstrahler, Wolldecken investiert und so mehr Kapazitäten geschaffen. 

Aber leider haben das nicht alle geschafft. Man sieht vermehrt auch wieder Menschen, die auf der Strasse leben. Ich vermute, dazu gehören auch Opfer der Pandemie-Krise. 

Zahlreiche New Yorker sind aus der Stadt geflüchtet und leben heute in Upstate New York, auch an der Grenze zu Connecticut. Die Immobilienpreise dort sind massiv angestiegen. Die Landpreise in der Stadt sind zwar auch gestiegen, dies ist aber bei den Mietzinsen noch nicht sichtbar. Es gibt durchaus Chancen, jetzt eine günstige Miete für Geschäftsräumlichkeiten zu erhalten, sicher für kurzfristige Mieten für zum Beispiel Pop Up Stores. Ein Markteinstieg jetzt scheint viel realistischer als noch vor drei Jahren.

 

Diskutieren Sie mit uns!

René Walpen

Renés langjährige Tätigkeit als Exekutiv Manager in internationalen Unternehmen bringt ihm eine Menge Erfahrung in unterschiedlichen Branchen und Ländern. Sein Hauptanliegen ist die Umsetzung, mit klaren strategischen Vorgaben und dem entsprechenden Fokus. Er hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und berät KMU's in der Neuorientierung, im Change und in der Strategie-Umsetzung. Er ist auch als Interim-Manager tätig und stellt so sicher, dass die nötigen Massnahmen auch erfolgreich umgesetzt werden.